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Wie soll ich mich als Christ in einer Krise verhalten?
Wie soll ich ich mich als Christ in einer Krise verhalten? Glaube, Gebet und Hoffnung. Ein Überblick über wichtige Passagen aus der Bibel und dem Katechismus
Was ist das?
Krise
Unter einer „Krise“ versteht man die dramatische Zuspitzung einer Lage, deren Ausgang ungewiss ist. Es kann zu einer Eskalation und zur Katastrophe kommen, aber auch zu einem chancenhaften Neuanfang. Das Wort „Krise“ kommt aus dem griechischen krinein und bedeutet dort soviel wie trennen oder unterscheiden.
Was sagt die Heilige Schrift?
Die Geschichte des Volkes Israel ist eine Geschichte der existenziellen Herausforderungen und Bedrohungen, die im Licht Gottes bedacht werden. Der Gott der Bibel ist ein Gott, der sieht (Ps 94,7: „...sollte der nicht sehen, der das Auge geformt hat?), sorgt (1 Petr 5,7: „Werft alle eure Sorge auf ihn, denn er kümmert sich um euch!“) und handelt (Ex 20,2: „Ich bin der HERR, dein Gott, der dich aus dem Land Ägypten geführt hat, aus dem Sklavenhaus.“). Die großen Herausforderungen Israels (Exodus, Babylonische Gefangenschaft, Buch Hiob) fordern allerdings die Entscheidung und das Mittun der Menschen, die aus der Geschichte lernen und darin die Handschrift Gottes entdecken sollen: „Ich unterweise dich und zeige dir den Weg, den du gehen sollst. Ich will dir raten, über dir wacht mein Auge.“ (Ps 32,8)
Auch Jesus kannte „Krisen“, die zum entscheidend Neuen führen. Im Markusevangelium (Mk 8,27-9,1) gibt es eine „galiläische Krise“; in der Gegend von Caesarea Philippi hat Jesus mit seiner Verkündigung zunächst großen Zulauf, doch dann bleibt die große Bekehrung aus, Unverständnis und Feindschaft nehmen zu. An diesem Punkt wendet sich Jesus dem Kreuz zu; er geht entschlossen nach Jerusalem. Im Johannesevangelium werden die Jünger gefragt: „Wollt auch ihr weggehen?“ (Joh 6,67). In der Nacht am Ölberg ringt Jesus mit seinem Vater, um die Krise schließlich in absolutem Vertrauen aufzulösen: „Mein Vater, wenn es möglich ist, gehe dieser Kelch an mir vorüber. Aber nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ (Mt 26,39) Der Umgang Gottes mit der Krise zeigt sich entscheidend in der Auferweckung Christi: Während die Jünger auf dem Weg nach Emmaus noch fixiert sind auf die Katastrophe (Lk 24,21: „Wir aber hatten gehofft, dass er der sei, der Israel erlösen werde.“) ist der Herr schon mit ihnen unterwegs zu etwas ganz Neuem.
Die kleine YOUCAT-Katechese
Wie soll ich mich als Christ verhalten in einer Krise mit unbekanntem Ausgang?
Christen sind keine unverwundbare Sonderanfertigung Gottes. Christen sind Menschen wie alle anderen auch. Sie werden schwach, haben Angst, verlieren den Kopf, geraten in Panik, wissen manchmal nicht ein noch aus. Wenn sie aber eines haben, dann eine Überlebensstrategie. Und dafür können sie nichts. Zu wissen, was man in der Krise tut – das haben sie von einem, der mit im Boot sitzt, wenn die Wellen darüber hinwegpeitschen. „Warum“, fragt Jesus, „habt ihr solche Angst? Habt ihr noch keinen Glauben?“ (Mk 4,40) Und mitten im Auge des Hurrikans wird es plötzlich ganz still.
Habt Ihr noch keinen Glauben?
Diesen Glauben und diese von Gott kommende Stille im Herzen der Katastrophe, habe ich bei einer jungen Frau wiedergefunden, die keine (allenfalls eine heimliche) Christin war. Als die junge Jüdin Etty Hillesum aus einem Lager in Holland nach Auschwitz-Birkenau transportiert wurde, hatte sie noch Gelegenheit, eine Postkarte aus dem Waggon zu werfen. Bauern fanden sie zufällig und hoben sie auf. Da liest man: „Ich schlage die Bibel an einer willkürlichen Stelle auf und finde: Der Herr ist meine starke Burg. Ich sitze mitten in einem überfüllten Güterwagen auf meinem Rucksack. Vater, Mutter und Mischa sitzen einige Waggons entfernt. ... Singend haben wir dieses Lager verlassen, Vater und Mutter sind tapfer und ruhig.“
Ein Freund hatte der jungen Frau, die ohne besonderen Glauben aufwuchs, wenige Jahre zuvor die Lektüre der Bibel empfohlen, dazu Augustinus, Thomas von Kempen, Meister Eckhart. Vor ihrem Abtransport hatte sie in ihrem Tagebuch notiert: „Es gibt Leute, es gibt sie tatsächlich, die im letzten Augenblick ihre Staubsauger und ihr silbernes Besteck in Sicherheit bringen, statt dich zu bewahren, mein Gott. Und es gibt Menschen, die nur ihren Körper retten wollen, der ja doch nichts Anderes mehr ist als eine Behausung für tausend Ängste und Verbitterung. Und sie sagen: Mich sollen sie nicht in ihre Klauen bekommen. Und sie vergessen, dass man in niemandes Klauen ist, wenn man in deinen Armen ist.“
Wenn alles zerbröselt und wegbricht ...
Viele Menschen erleben Corona als eine fundamentale Erschütterung ihres Daseins, als eine Situation, in der alle Sicherungen wegbrechen. Und sie haben in vieler Hinsicht Recht: Gesundheit, Wirtschaft, Finanzen, Reisen, Wohlstand, Lebensplanung – alles zerbröselt. Niemand weiß, wie die Welt nach Corona aussieht. Aber dann muss man doch sagen: Die eigentliche Überlebensfrage stellt sich durch diese Krise nicht.
Die große Frage lautet, ob dann noch etwas ist, wenn scheinbar nichts mehr ist.
Es gibt nur eine wirkliche Krise im Leben eines Menschen. Und es ist eine Krise mit bekanntem Ausgang. Von ihr wissen wir sicher: Es wird schiefgehen! Und zwar für alle. Dass wir nämlich sterben werden, ist vollkommen sicher. Es kann in der nächsten Stunde sein, in den nächsten Tagen, Wochen, Monaten, Jahren. Kurt Tucholsky hat einmal die wehmütigen Zeilen geschrieben: „Zum letzten Mal in seinem Leben Sauerkraut gegessen. Zum letzten Mal telefoniert. Zum letzten Mal geliebt. Zum letzten Mal Goethe gelesen. Vielleicht lange Jahre vor dem Tode. Und man weiß es nicht.“ Wir können noch so viele Vitaminpräparate schlucken – es bringt uns höchstens die Einsicht: „Auch wer gesund stirbt, ist definitiv tot.“ (Manfred Lütz)
Wie Etty Hillesum, so hat auch einer der Widerstandskämpfer gegen Hitler, Robert von Arenberg, in einer Stunde, in der es um Leben und Tod ging, das Unzerstörbare entdeckt. Man könnte auch sagen: Er fand das Geheimnis der lebensrettenden Gemeinschaft mit Gott. Er kleidete es in die Worte: „Mehr als umbringen können sie mich nicht. Und selbst wenn sie mich umbringen, bringt mich das noch lange nicht um.“ Gibt es eine kürzere Antwort auf die Frage, was es bringt an Gott zu glauben, als: „Mich bringt nichts mehr um!“?
Gibt es einen Impfstoff gegen den Tod?
Ja. Der beste Impfstoff gegen Corona ist der Glaube an den lebendigen Gott, in dem wir ein Leben haben, dass kein Virus zerstören kann. Wie funktioniert das? Ich möchte ein aktuelles Bild dafür gebrauchen. Jesus hat sich aus Liebe zu uns selbst mit dem Tod infiziert – und er hat überlebt. Er hat in seinem Blut die Antikörper entwickelt, mit denen wir alle überleben können. Die rettenden Antikörper werden per Bluttransfusion übertragen. Es gibt dieses rätselhafte Wort aus dem Johannesevangelium, das schon für die Zeitgenossen Jesu so überaus anstößig war: „Wenn ihr das Fleisch des Menschensohnes nicht esst und sein Blut nicht trinkt, habt ihr das Leben nicht in euch.“ (Joh 6,51) Selbst nahe Freunde Jesu fanden das shocking - „unerträglich“ heißt es Johannesevangelium 6,60. Vielleicht müssen wir für den Moment nur soviel davon verstehen: Jesus erweist sich als unser Blutsbruder, mit dem wir durch dick und dünn und sogar durch den Tod gehen können. In ihm haben wir Leben für immer. Dazu sind zwei Dinge erforderlich: Glauben und Taufe („Wer glaubt und sich taufen lässt, wird gerettet“, sagt Jesus in Mk 16,16) „Die Taufe“, sagt YOUCAT 194, „ist der Weg aus dem Reich des Todes in das Leben; das Tor in die Kirche und der Beginn einer bleibenden Gemeinschaft mit Gott ... Da die Taufe ein Bund mit Gott ist, muss der Mensch ´Ja´ dazu sagen.“
Wir denken oft, die Taufe sei so ein Zeremoniell. Aber jemand macht uns die Tür ins Leben auf wie in ein wundervolles, rettendes und bergendes Haus, in dem wir alle Sakramente wie herrliche Zimmer bewohnen dürfen. In YOUCAT 193 heißt es: „Die Taufe verbindet mit Christus. Die Firmung schenkt uns seinen Geist. Die Eucharistie vereinigt uns mit ihm. Die Beichte versöhnt uns mit Christus.“ Es ist, als würde Jesus sagen: Mein Haus ist auch Euer Haus!
Christen in der Corona-Krise
Was können Christen - das sind Leute, die nichts umbringt - in der Krise tun?
- Sie können Beten lernen und andere Beten lehren. Etty Hillesum: „In mir gibt es einen ganz tiefen Brunnen Darin ist Gott. Manchmal ist er für mich unerreichbar, aber oft liegen Steine und Geröll auf dem Brunnen und dann ist Gott begraben.“
- Sie können selbst aus dem Hamsterrad aussteigen und anderen die Tür in die Freiheit aufmachen. Arbeiten bis zum Umfallen? Wozu ist das gut? Für die Karriere die persönlichen Beziehungen ruinieren? Wer hat etwas davon?
- Sie können das Haus Gottes neu beleben. Ein Christ ist kein Christ. Wo findet man die Anderen? Nicht im Live Stream. Wohl aber in der Kirche – verdichtet bei der Kommunion (der Vereinigung mit dem Leben selbst). Wenn jetzt die Kirche zerfasert, weil niemand mehr die Kraft aufbringt für das Gemeinsame, zerfällt, was als Rettungsboot für alle gedacht ist.
- Sie können auffallen durch Aufmerksamkeit und Solidarität. Christsein beginnt in der Familie, die gerade neu entdeckt wird. Christsein strahlt aus in die Nachbarschaft. Christen haben Sensoren für die Einsamen, die Alten und für alle, die jetzt durch die sozialen Raster fallen, weil sie keinen Job mehr haben, viele Schulden, kein Geld und keine Perspektive. Christsein hört auch nicht an den Landesgrenzen auf.
- Sie können andere anstecken. Mit Hoffnung. Denn sie haben etwas, das nicht mit Geld zu bezahlen ist – ein Wunder, das sich manchmal sogar noch im KZ ereignet. Noch einmal Etty Hillesum: „Wenn ich in einer Ecke des Lagers stehe, die Füße auf Deiner Erde, das Gesicht zu Deinem Himmel, Gott, erhoben, dann laufen mir manchmal die Tränen über das Gesicht, entsprungen aus einer inneren Bewegtheit und Dankbarkeit, die nach einem Ausweg sucht.“ ∎
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