Der Rosenkranz
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Der Rosenkranz

Der Rosenkranz ist nach dem Vaterunser und dem Ave Maria die am weitesten verbreitete Gebetsform im Christentum. Weil sie die besondere Nähe zur Muttergottes voraussetzt, wie sie im Katholizismus gegeben ist, hat sie dort ihre Heimat

min Lesezeit | Bernhard Meuser

Was ist das?

Rosenkranz ist der „Name einer Gebetskette und einer Gebetsübung, die im 12. Jahrhundert vor allem bei den Zisterziensern und Kartäusern aufkam, deren Laienbrüder nicht am (lateinischen) Stundengebet teilnahmen und im Rosenkranz eine eigene Gebetsform („Marienpsalter“) hatten. Später wurde der Rosenkranz vor allem von den Dominikanern, aber auch von anderen Orden gefördert.“ (YOUCAT 481)Der Rosenkranz ist nach dem Vaterunser und dem Ave Maria die am weitesten verbreitete Gebetsform im Christentum. Weil sie die besondere Nähe zur Muttergottes voraussetzt, wie sie im Katholizismus gegeben ist, hat sie dort ihre Heimat. Aber auch orthodoxe und evangelische Christen haben den Rosenkranz für sich entdeckt oder verwenden ähnliche Gebetsformen mit Gebetsschnüren. Vorläufer des heutigen Rosenkranzes finden wir bei den Wüsteneremiten des 3. und 4. Jahrhunderts, die ein Hilfsmittel dafür suchten, der biblischen Aufforderung „Betet ohne Unterlass“ (1 Thess 5,17) nachzukommen. Der Rosenkranzbeter wiederholt das Glaubensbekenntnis 1 Mal, das Vaterunser 6 Mal und das Ave Maria 53 Mal und befindet sich so für 15 – 30 Minuten in einem Zustand der Konzentration auf Gott und die Geschichte unserer Erlösung. Es gibt den freudenreichen Rosenkranz, der Geheimnisse der Menschwerdung Gottes meditiert, den schmerzhaften Rosenkranz, der das Leiden Christi betrachtet, den glorreichen Rosenkranz, der sich auf die Geheimnisse der Auferstehung und Vollendung bezieht und den lichtreichen Rosenkranz, der Geheimnisse des öffentlichen Lebens Christi vor das innere Auge des Beters rückt. Papst Johannes Paul II. hat den Rosenkranz den „Königsweg der Kontemplation“ * genannt. *Kontemplation = Betrachtung

 

Was sagt die Heilige Schrift?

Kritiker sagen oft, der Rosenkranz sei eine unbiblische, katholische Erfindung, ja er widerspräche sogar der Aufforderung Jesu „Wenn ihr betet, sollt ihr nicht plappern wie die Heiden, die meinen, sie werden nur erhört, wenn sie viele Worte machen. Macht es nicht wie sie." (Mt 6, 7-8) Diese Schriftstelle ist kein Affront gegen das inständige, Zeit erfordernde Gebet; sie bezieht sich auf zeitgenössische, magische Praktiken des Bittgebets. Freilich kann auch der Rosenkranz als magische Beschwörung Gottes missbraucht werden. Anders als es sein Ruf besagt, ist der Rosenkranz tief biblisch. Das Vaterunser steht in Mt 6,9,13; das Ave Maria ist eine Komposition aus Lk 1,28 und Lk 1,42, die ergänzt wurde durch eine Bitte, die 1568 durch Papst Pius V. hinzugefügt wurde. In den vier Formen des Rosenkranzes werden ausschließlich Ereignisse aus dem Leben Jesu meditiert und auf biblische Schilderungen Bezug genommen. Bündig stellt YOUCAT 149 vom Rosenkranz fest: „Er ist eine Kurzfassung der Evangelien.“ YOUCAT 149 states of the Rosary: “It is a compendium of the Gospels.”

Die kleine YOUCAT-Katechese

Zeit für Gott

Du hast Dich dafür entschieden, Gott den ersten Platz in deinem Leben einzuräumen? Dann frage ich Dich: Wie viele Deiner 1.440 Minuten – denn so viele Minuten hat dein Tag – schenkst Du Gott? Nehmen wir nur die Hälfte (denn irgendwann muss der Mensch ja auch Schlafen, Essen, Arbeiten): Wie viele von Deinen 720 Minuten gehören Gott? 3 Minuten? 5 Minuten? 10 Minuten? Das wären 0,4 % oder 0,7 % oder 1,4 %. Das ist die mickrige Realität. Immerhin ist es besser als gar nicht zu beten. Oder als sein Christsein in einem Wechsel von Stoßgebeten („Hilf, Herr, du bist meine letzte Rettung!“) und Flüchen („Fahr zur Hölle, du Idiot!“) in der Balance zu halten.

Es dürfte klar sein: Eine Priorität ist eine Priorität, wenn sie Zeit frisst. Oder sie ist keine Priorität. „Man kann“, meinte einmal Romano Guardini, „auf die Dauer kein guter Christ sein ohne zu beten - sowenig man leben kann, ohne zu atmen.“ Aber zugleich stellt Guardini sehr nüchtern fest: „Im Allgemeinen betet der Mensch nicht gern. Er empfindet dabei leicht eine Langeweile, eine Verlegenheit, einen Widerwillen, geradezu eine Feindseligkeit. Alles andere erscheint ihm reizvoller und wichtiger.“ Nichts macht dem Teufel größeren Spaß, als uns von Gott und der Liebe fernzuhalten. Für das Gebet braucht es darum eine Entscheidung, einen festen Willen und ein Zeitbudget.

Und vielleicht den Rosenkranz. Vor über zwei Jahrzehnten hat mir ein guter Freund in der Not meines Betens geraten: „Nimm das Ding. Und fang einfach damit an!“

Die Verbindungsschnur

Es war vielleicht der beste Rat meines Lebens. Seither gehöre ich zur Community. Das sind lauter Leute, die eisern am größten spirituellen Erfolgsmodell der Christenheit festhalten und sich ganz bewusst Zeit aus ihrem Tag herausschneiden, in der sie nicht Rechnungen begleichen, Smalltalk machen, sich vor Monitoren vergnügen oder Kinder hüten. Sie machen einen Spaziergang, ziehen sich in eine Ecke der Wohnung zurück, schalten das Smartphone auf stumm und begeben sich in das von Maria wohnlich eingerichtete Milieu Jesu. Übrigens gehört auch Papst Franziskus zu den Leuten, die glauben, dass es keine bessere Verbindungsschnur zum Evangelium und zur Gegenwart Gottes gibt als den Rosenkranz. Was noch überraschender ist: In den letzten drei Jahrzehnten kamen immer mehr junge Leute hinzu, die das volle Programm wollten, statt sich auf ein verbürgerlichtes und oberflächliches Christentum einzulassen. Mit daran schuld war ein alter Mann, der die Schnur nie aus seinen kranken Händen ließ und den jungen Leuten, wo überall er sie auf seinen Weltreisen antraf, zurief: „Seid nie zufrieden mit Mittelmäßigkeit!“ Der Name des Mannes: Johannes Paul II. Westeuropäische Katholiken, die sich gerade auf dem Trip größtmöglicher Anpassung an die Welt befanden, konnten sich die Faszination an dem Mann mit dem Rosenkranz nicht erklären. Hielten sie Marienverehrung doch für eine überwundene katholische Bildungsstufe und den Rosenkranz für ein Relikt aus dem Mittelalter.

Mystik für Anfänger

Hätten sie doch besser auf den berühmten Theologen Karl Rahner gehört, der einmal meinte: „Der Fromme von morgen wird ein Mystiker sein, einer der etwas erfahren hat, oder er wird nicht mehr sein." Der Rosenkranz ist Mystik für Anfänger. Mystik ist Liebe, die immer tiefer versteht. Wer sich der Logik des Evangeliums anvertraut und nach dem Menschen sucht, der in mystischer Nähe zu Jesus war, wird auf seine Mutter kommen. Romano Guardini spricht vom Rosenkranzgebet als einem „Verweilen in der Lebenssphäre Mariens, deren Inhalt Christus ist.“ Man tritt in einen Raum, der vom zärtlichen Aroma der Liebe erfüllt ist, bleibt, schaut hin, sieht, betrachtet, fühlt an, ... immer wieder, jeden Tag, ein Leben lang. Paul Badde hat die zwanzig Geheimnisse des Rosenkranzes einmal mit „Schlüssellöchern in den Raum der Evangelien“ verglichen, „durch die wir wie mit einem Prisma immer mehr von der Wirklichkeit der Erscheinung Gottes in Jesus erfassen - und zwar ‘mit den Augen seiner Mutter‘, wie es Johannes Paul II. ausdrückte.“

Eine Rechnung, die aufgeht

Übrigens: Wer jeden Tag den Rosenkranz betet, ist schon einmal 7 x 20 Minuten/Woche bei Jesus. Das sind 7.280 Minuten/Jahr. Das sind immerhin 5 volle Tage, die du bei Jesus bist. Nicht doch eher bei Maria? Ich kann nur bestätigen, was der hl. Grignon de Montfort gesagt hat: „Maria ist der schnellste, kürzeste, sicherste, leichteste und vollkommenste Weg zu Jesus Christus." Der schnellste: Maria ist schon dort, wohin du als Christ willst. Der kürzeste: Maria erspart dir tausend Umwege. Der sicherste: Sie weiß, wie man zu Jesus kommt. Der leichteste: Du kannst dich ihrem Mitnahmeeffekt überlassen. Der vollkommenste: Mehr Vertrauen in Jesus wirst du nirgends finden. ∎