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Fronleichnam – alles nur Show?
Was ist das?
Seit dem Jahr 1264 gibt es in der Katholischen Kirche das Hochfest des Leibes und Blutes Christi, das im deutschen Sprachraum „Fronleichnam“ heißt und dort mit einer feierlichen Prozession begangen wird. Festtermin ist der zweite Donnerstag nach Pfingsten. In vielen Ländern findet „Fronleichnam“ aber am darauffolgenden Sonntag statt. Gefeiert wird die bleibende Gegenwart Christi in der Heiligen Eucharistie.
Was sagt die Heilige Schrift?
In jeder Heiligen Messe kommt die Kirche dem Auftrag Christi nach, der am Abend vor seinem Tod die Heilige Eucharistie einsetzte und seine Jünger aufforderte: „Tut dies zu meinem Gedächtnis!“ (1 Kor 11,24) Dabei nimmt die Kirche die Worte Christi, die er über Brot Wein sprach: „Dies ist mein Leib ... dies ist mein Blut“ (Mk 14,22-24) wörtlich. Der wörtliche Glaube an die reale Gegenwart Christi (Realpräsenz) in den gewandelten Gaben von Brot und Wein wurde in der Geschichte der Kirche immer stärker, so dass das Konzil von Trient (1545-1563) feierlich definierte, im heiligsten Sakrament der Eucharistie sei „wahrhaft, wirklich und substanzhaft der Leib und das Blut zusammen mit der Seele und Gottheit unseres Herrn Jesus Christus und daher der ganze Christus enthalten.“ An Fronleichnam bekennt sich die ganze Kirche öffentlich zu den provokanten Worten Christi: „Ich bin das lebendige Brot, das vom Himmel herabgekommen ist. Wer von diesem Brot isst, wird in Ewigkeit leben.“ (Joh 6,51) In gewandelten Brot sieht die Welt den Anfang einer Wandlung, die schon begonnen hat und einst alles Geschaffene umfassend wird, denn wir erwarten einen „neuen Himmel und eine neue Erde.“ (Offb 21,1)
Die kleine YOUCAT-Katechese
Fronleichnam – alles nur Show?
Der Reformator Martin Luther war kein Freund der Fronleichnamsprozession. Er sei, meinte er in einer seiner Tischreden, „keinem Fest mehr feind als diesem. Denn da tut man alle Schmach dem heiligen Sakrament, dass man's nur zum Schauspiel umträgt und eitel Abgötterei damit treibet.“ Ein starkes Wort.
War das „Abgötterei“, also Götzendienst, - dieser Aufwand, den man in meiner Heimat betrieb, um Fronleichnam zu dem frühsommerlichen Höhepunkt des ganzen Dorfes zu machen? Das festliche Ereignis lockte Gläubige und Ungläubige gleichermaßen auf die Straßen – die einen als Zuschauer, die anderen als Beteiligte. Junge Birken wurden geschlagen, deren Grün den Weg der Prozession säumten, meterlange Fahnen wurden aus dem Fenster gehängt. Berge von Gras wurden gemäht, um damit das Grau des Straßenpflasters zu bekleiden. Hofeinfahrten wurden zu Altären. Überall prangten Blumen in den Fensternischen und flackerten Kerzen im Wind, deren Wachs auf kostbar bestickte Tücher tropfte. Die Leute standen Spalier.
Und dann nahte die mystische Walze heran, in eine malerische Wolke von Weihrauch und Blasmusik gehüllt: die große Prozession, das Tragekreuz vorweg, Erstkommunionkinder, die Rosenblätter streuten, Fahnenabordnungen der Vereine, Großeinsatz der Feuerwehr. Unter dem „Himmel“ (einem tragbaren Stoffdach): die Monstranz, das heilige, in Gold getriebene Zeigegerät, das den rätselhaften Kern für den gewaltigen Aufwand in seiner Mitte trug: Ein kleines Stück geschmackloses Brot, milliardenfach multiplizierbar, freilich endlos mit Bedeutung aufgeladen durch ein Wort Christi: „Das ist mein Leib für euch ...“ (1 Kor 11,24).
Hat Luther nicht recht? Genau genommen ging es in der Urszene mit Jesus doch um ein feierliches Essen. In YOUCAT 208 heißt es: „Wenn wir das gebrochene Brot essen, vereinigen wir uns mit der Liebe Jesu, der seinen Leib am Holz des Kreuzes für uns hingab; wenn wir aus dem Kelch trinken, vereinigen wir uns mit dem, der in der Hingabe für uns sogar sein Blut vergoss.“ Und sollte man halt nicht wieder nur ein feierliches Essen veranstalten, wenn man der Einladung Jesu folgen möchte: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ (1 Kor 11,24)? Statt draußen herumzulaufen und eine Show daraus zu machen, bei der die Einen ihren Glauben und (manche nur) ihre Kleider zeigen, während die Anderen spöttisch die Lippen verziehen?
Gibt es nichts zu sehen? Nur zu essen?
Von Pierre Rousselot, einem jungen Jesuiten, der im ersten Weltkrieg fiel, stammt das Wort von den „Augen des Glaubens“; er meinte damit die übernatürliche Erkenntniskraft der Liebe. Es kann sein, dass der Eine in diesem Stückchen Brot, um das sich alles dreht, einfach nichts sieht, dem Anderen aber, der in Liebe die Liebe erkennt, geht darüber eine Welt auf.
Im Jahr 2002 starb ein Mann, der in seiner Heimat Rumänien als Held verehrt wird. Alexandru Kardinal Tódea hatte 31 Jahre seines Lebens in kommunistischen Gefängnissen verbracht, davon allein 15 Jahre in Einzelhaft. Einmal, nach Jahren, verbrachte man den Priester in ein anderes Gefängnis. Gefesselt im Eisenbahnwaggon, sah er wie seine Bewacher vom Geheimdienst „Securitate“ ihre Brote auspackten und eine Weinflasche öffneten. Tódea hatte Hunger. Aber in seinen Augen brannte eine andere Sehnsucht: „Mein Gott – so viele Jahre konnte ich keine Heilige Messe mehr feiern. Und da ist Brot! Und da ist Wein!“ Schließlich bat er die Bewacher: „Gebt mir doch einen Krumen Brot und einen Schluck Wein!“ Einer der Securitateleute erbarmte sich. Er konnte die Erschütterungen nicht sehen, die in dem Priester vorging. Die unsichtbare Eucharistiefeier im rumpelnden Eisenbahnwaggon sei die intensivste seines Lebens gewesen. Hier habe er die Kraft empfangen, alles zu ertragen, was noch an Folter, Erniedrigung und Einsamkeit über ihn kommen sollte.
In der Geschichte der Kirche gab es immer wieder Menschen, die für eine unsichtbare geistliche Wirklichkeit brannten, etwa die 49 Märtyrer von Abitene, die 304 von Kaiser Diokletian wegen zwei Vergehen hingerichtet wurden: 1. Weil sie die Herausgabe der „heiligen Bücher“ verweigerten, und 2. Weil sie an der Feier der heiligen Eucharistie festhielten: “Weißt du nicht“, soll sich der Priester Saturninus verteidigt haben, „dass der Christ für die Eucharistie existiert und die Eucharistie für den Christen?“ Warum das so wichtig ist? In YOUCAT 180 heißt es: „In der Eucharistie gibt sich Christus uns, damit wir uns ihm geben.“ Hingabe gegen Hingabe – das ist die Essenz des Christentums.
Von Jesus etwas zu zeigen ...
Von Jesus etwas Besonders zu zeigen, war die Idee einer elternlosen 16-Jährigen im 13. Jahrhundert. Lüttich muss damals so etwas wie ein geistlicher Hotspot gewesen sein. Es gab dort eine Bewegung, die von einem einzigen Gedanken fasziniert war: Kann es sein, dass der Herr in den Gestalten von Brot und Wein auch jetzt und heute so real da ist, dass man davor nur in die Knie gehen kann? Papst Benedikt nannte das Lüttich jener Jahre einmal einen „eucharistischen Abendmahlssaal“. Mitten drin: ein Mädchen namens Juliana. 1209 hatte Juliana eine Idee – nein eigentlich keine „Idee“, sondern eine Eingebung im Gebet. Aber hallo, - man müsste ein strahlendes Fest aus der eucharistischen Gegenwart Christi machen! Gründonnerstag allein reichte nicht, wo das Geheimnis der Liebe Christi wie unter dem Schatten des Kreuzes verborgen blieb.
Das war keine Schnapsidee einer übergedrehten Jugendlichen. 55 Jahre später gab es das Fest auf der ganzen Erde. 1264 führte Papst Urban IV. Sollemnitas Sanctissimi Corporis et Sanguinis Christi ein – das „Fest des allerheiligsten Leibes und Blutes Christi“, das in Deutschland „Fronleichnam“ heißt. Im Mittelhochdeutschen bedeutet „Fron“ (vrone) Herr, und „Leichnam“ steht für Leib. In den 55 Jahren dazwischen war eine Menge passiert. Unter anderem befassten sich die klügsten Köpfe ihrer Zeit – allen voran der Dominikaner Thomas von Aquin und der fünf Jahre ältere Franziskaner Bonaventura – mit dem Geheimnis der Eucharistie. Tatsächlich singen wir noch heute die genialen Lieder, die Thomas damals schuf – das Adoro te devote (Gottheit tief verborgen), das Lauda Sion (Deinem Heiland, deinem Lehrer), das Pange lingua (Preise Zunge das Geheimnis), das Tantum ergo (Darum lasst uns tief verehren). Die Texte waren so inspiriert und gewaltig, dass – so heißt es – Bonaventura seine eigenen Versuche kurzerhand in den Papierkorb tat.
Das Schöne kommt zurück
Das Fest Fronleichnam macht die Sicht frei auf zwei überaus schöne Wirklichkeiten: 1. Mitten in der Abwesenheit von Liebe und Hoffnung, mitten im großen Schweigen über Gott werden Menschen sichtbar, denen etwas überaus kostbar ist. Scheinbar gibt es etwas, das jeden Preis wert, aber für Geld nicht zu haben ist. Vielleicht wird auch sichtbar, dass der „Mensch nie größer ist als dann, wenn er in freier Hingabe vor Gott niederkniet.“ (YOUCAT 485) 2. Menschen tragen Jesus mit Dankbarkeit und Jubel auf die Straße. Er gehört nämlich nicht in die Kirche. Jesus ist gekommen, um die Welt zu erlösen. Dafür hat er sich am Kreuz verausgabt. Wir alle lernen neu, dass Jesus Brot und Wein genommen hat, „um darin die ganze Schöpfung Gott verwandelt darzubringen. Auch wir werden durch Jesus verwandelt und erlöst; so können wir aus tiefstem Herzen dankbar sein und Gott dies in vielfältiger Weise sagen.“ (YOUCAT 488)
Etwas Paradiesisches - ein Duft, ein Glanz - kommt zurück in unsere Städte, Dörfer, Biographien.
Wie könnte ein „Update Fronleichnam“ aussehen?
„Keinesfalls puristisch“, meint Benjamin Leven. „Es passt absolut in die Zeit, dass sich alter Prunk und moderne Kreativität miteinander verbinden. Was wäre, wenn man in einer Bischofsstadt im nächsten Jahr alle kreative Energie in die Vorbereitung dieses Festes stecken würde? Am Vorabend würde auf dem Domplatz ein Mysterienspiel aufgeführt, eigens verfasst von einem zeitgenössischen Schriftsteller. Die Blumenteppiche an den Stationen hätte man von Streetart-Künstlern gestalten lassen. Bei der Prozession ginge eine Sambakapelle mit. Der Bischof würde nach der Prozession tausend Arme und Obdachlose zu einem Mahl auf dem Domplatz einladen und sie persönlich bedienen. Und am Abend würde das Fest mit einem Feuerwerk enden.“ ∎
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